Die Erbengemeinschaft – was benötigt es für eine Entscheidungsfindung

Der zweite Teil unserer Artikelserie zu "Erbengemeinschaften" beschäftigt sich mit der Frage, welche Möglichkeiten eine Erbengemeinschaft hat, um Entscheide herbeizuführen. Wir haben bei Christoph Hess, Rechtsanwalt und Notar in Sursee, nachgefragt.

 

Erbengemeinschaften sind regelmässig Grund für Streitigkeiten. Was aber benötigt es für einen Entscheid bei einer Erbengemeinschaft? Was sind die Möglichkeiten, die einzelne Erben in einer Gemeinschaft haben?

 

1. Wie erlangt die Erbengemeinschaft Eigentum an der Immobilie?

 

Mit dem Tod des Erblassers erlangen die Erben (entweder die gesetzlichen oder die durch Verfügung von Todes wegen eingesetzten) die Erbenstellung automatisch. Mit anderen Worten gehen - unter der Voraussetzung, dass der Nachlass später nicht ausgeschlagen wird - in der Sekunde des Todes des Erblassers sämtliche Aktiven und Passiven auf die Erben über. Man spricht deshalb von einem ausserbuchlichen Erwerb, also von einem Eigentumsübergang ausserhalb des Grundbuchs. Für die Übertragung auf die Erbengemeinschaft braucht es also keines weiteren Rechtsgeschäfts. Im Grundbuch ist einzig der Erbenschein einzureichen, aus welchem die Erben hervorgehen.

 

2. Eine Erbengemeinschaft – z.B. bestehend aus drei Geschwistern – hält gemeinsam eine Liegenschaft. Benötigt es Einstimmigkeit für einen möglichen Verkauf oder reicht auch eine einfache Mehrheit unter den Erben aus?

 

Grundsätzlich benötigen alle Entscheidungen der Erbengemeinschaft nach der Konzeption des Zivilgesetzbuches (ZGB) Einstimmigkeit aller Erben. Das bedeutet, dass eine Liegenschaft nur verkauft werden kann, wenn alle Erben mit den Konditionen dieses Rechtsgeschäfts einverstanden sind.

 

3. Benötigen sämtliche Entscheidungen – wir gehen von der gleichen Erbengemeinschaft aus - das gleiche Quorum oder gibt es die Möglichkeit, dass gewisse Entscheidungen im einfachen Mehr abgehandelt werden können?

 

Die Erbengemeinschaft kann mit einem einstimmigen Beschluss eigene Regelungen zur Verwaltung der Liegenschaft aufstellen und damit von der im Gesetz vorgesehenen Einstimmigkeit abweichen. Dies bietet die Möglichkeit, für gewisse Handlungen das einfache Mehr einzuführen oder z.B. einem Erben die Kompetenz zu übertragen, Mietverträge über Wohnungen der Erbengemeinschaft abzuschliessen.

 

4. Gibt es die Möglichkeit bei einem dringlichen Fall – z.B. ein Schaden am Dach – auch ohne notwendiges Quorum einen Entscheid umzusetzen und wenn ja, was muss gegeben sein?

 

Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts ist jeder Erbe in dringenden Fällen kraft der ihm verliehenen gesetzlichen Befugnisse dazu berechtigt, alleine als Vertreter der Erbengemeinschaft zu handeln. Diese Befugnisse erlöschen, sobald die Dringlichkeit wegfällt.

Im vorliegenden Fall müsste somit zunächst versucht werden, das Einverständnis aller Mitglieder der Erbengemeinschaft für die Behebung des Schadens am Dach einzuholen, was zu Beweiszwecken entsprechend zu dokumentieren ist. Sollte dies nicht möglich sein, weil z.B. ein Erbe ferienbedingt nicht erreichbar ist, wäre der einzelne Erbe ermächtigt, die Arbeiten zulasten der Erbengemeinschaft zu erteilen, um damit einen grösseren Schaden zu verhindern.

 

5. Was raten Sie bei einer dauernd bestehenden Patt-Situation, z.B. zwei Lager à zwei Parteien, die sich durch ihre grundsätzliche Haltung zur Sache dauerhaft blockieren?

 

Zunächst sollten die Erben versuchen, im Gespräch - allenfalls durch Beizug eines Mediators
oder einer Mediatorin - zu einer Lösung zu gelangen. Eine Lösung, zu welcher die Erben selber beigetragen haben, ist immer besser, als eine solche, die ihnen schlussendlich durch ein Gericht vorgegeben wird.

Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, für die Verwaltung der Erbengemeinschaft einen sog. Erbenverwalter einzusetzen. Möglicherweise kann der Konflikt zwischen den Parteien dadurch entschärft werden, indem eine externe Person mit der professionellen Verwaltung der Liegenschaft betraut wird.

 

6. Welche Möglichkeit haben Mitglieder einer Erbengemeinschaft, wenn eine Partei eigenmächtig handelt, z.B. Geld in die Liegenschaft investiert, ohne dass die anderen damit einverstanden sind?

 

In einer solchen Situation empfiehlt es sich, den betreffenden Miterben in einem ersten Schritt schriftlich abzumahnen und mitzuteilen, dass er seine Kompetenzen mit einem solchen Schritt überschreitet. Bei wiederholtem Handeln bleibt wohl nur der Gang ans Gericht.

 

7. Was geben Sie als Experte Erben, die Teil einer Erbengemeinschaft sind, als Tipp auf den Weg, wenn die Situation besteht, dass die Gemeinschaft aufgrund der Blockade einer Partei handlungsunfähig wird?

 

Wenn die Gespräche unter den Erben einschliesslich der Einsetzung eines Erbenverwalters zu keiner tragbaren und zukunftsfähigen Lösung führen, bleibt nur noch die Option, die gerichtliche Teilung des Nachlasses zu verlangen. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Erbe jederzeit die Teilung des Nachlasses verlangen kann. Es muss also kein Erbe gegen seinen Willen auf unbestimmte Dauer in einer Erbengemeinschaft verbleiben.

Wir danken Herrn Hess für die Beantwortung unserer Fragen

 

 

Zum Experten:

Christoph Hess ist als Rechtsanwalt und Notar in Sursee und Luzern und Partner der gleichnamigen Kanzlei Hess Advokatur Notariat Mediation. Er ist Fachanwalt Bau- und Immobilienrecht. Sie können Herrn Hess unter folgenden Koordinaten erreichen:

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Mail: christoph.Hess@hess-advokatur.ch

Tel: 041 924 11 00

 

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Impulsartikel zur Artikelserie «Erbengemeinschaft»:

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