Vorkaufsrecht bei Immobilientransaktionen in der Schweiz

Ob im Stockwerkeigentum, bei Erbengemeinschaften oder im ländlichen Raum: Das Vorkaufsrecht spielt bei Immobilientransaktionen in der Schweiz eine bedeutende Rolle – oft unterschätzt, aber mit weitreichenden Folgen. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Formen des Vorkaufsrechts es gibt, wie sie rechtlich funktionieren und welche praktischen Auswirkungen sie auf Kauf, Verkauf und Bewertung von Liegenschaften haben. Besonders für Investoren, Käufer und Eigentümer lohnt sich der genaue Blick – denn eine nicht berücksichtigte Vorkaufsberechtigung kann jede Transaktion zu Fall bringen.

 

1. Definition: Was ist ein Vorkaufsrecht bei Immobilien?

Das Vorkaufsrecht gibt einer Person das Recht, eine Immobilie zu kaufen, sobald der Eigentümer sie an einen Dritten verkaufen möchte. Es handelt sich um ein bedingtes Recht, das nur im Verkaufsfall aktiviert wird.

Wichtige Merkmale:

  • Der Berechtigte kann zu denselben Bedingungen wie der Käufer in den Kaufvertrag eintreten.
  • Das Vorkaufsrecht kann gesetzlich oder vertraglich begründet sein.
  • Es ist vom Kaufrecht (Verpflichtung zum Kauf) und vom Rückkaufsrecht (Wiedereintrittsrecht) abzugrenzen.

 

2. Gesetzliche Grundlagen des Vorkaufsrechts in der Schweiz

Im Schweizer Recht finden sich die Regelungen zum Vorkaufsrecht vor allem in den Artikeln 681 bis 681b ZGB. Zwei Arten sind zu unterscheiden:

a) Gesetzliches Vorkaufsrecht

Kommt automatisch durch das Gesetz zustande, ohne dass ein Vertrag notwendig ist. Beispiele:

  • Miteigentümer (Art. 682 ZGB): Haben bei Verkauf eines Anteils ein Vorkaufsrecht.
  • Landwirtschaftliches Vorkaufsrecht (nach BGBB): Nahe Angehörige oder Pächter können Grundstücke zu Schutzpreisen übernehmen.
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b) Vertragliches Vorkaufsrecht

Zwischen zwei Parteien vereinbart, oft im Kaufvertrag oder Mietvertrag enthalten. Es kann:

  • Eingetragen werden im Grundbuch (öffentlich-rechtliche Wirkung).
  • Einfach (Kauf zu Drittkonditionen) oder qualifiziert (z. B. zum Festpreis) ausgestaltet sein.

 

3. Wie wird ein Vorkaufsrecht ausgeübt?

Ein klar definierter Ablauf ist entscheidend, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden:

  1. Kaufvertrag mit Drittperson wird unterzeichnet.
  2. Mitteilungspflicht: Verkäufer informiert den Vorkaufsberechtigten über die Vertragsbedingungen.
  3. Frist zur Ausübung: In der Regel 3 Monate (sofern nicht vertraglich verkürzt).
  4. Erklärung: Berechtigter übt das Recht schriftlich aus.
  5. Eigentumsübertragung: Vorkaufsberechtigter tritt anstelle des ursprünglichen Käufers.

 

4. Risiken und Chancen für Käufer, Verkäufer und Investoren

 

Für Verkäufer:

  • Verzögerung oder Scheitern der Transaktion, wenn Vorkaufsrecht ausgeübt wird.
  • Pflicht zur Offenlegung bestehender Rechte.
  • Ggf. Wertminderung, falls der Kaufpreis begrenzt ist.

     

Für Käufer:

  • Rechtliche Unsicherheit, ob der Erwerb tatsächlich zustande kommt.
  • Notwendig: Rücktrittsklauseln im Kaufvertrag bei Ausübung des Vorkaufsrechts.
  • Klärung durch Einsicht in das Grundbuch und schriftliche Zusicherungen.

     

Für Investoren:

  • Relevanz im Off-Market-Segment und bei grösseren Renditeobjekten.
  • Bei Due Diligence unbedingt auf allfällige Grundbucheinträge achten.
  • Gemeinden und Stiftungen als Berechtigte können Transaktionen erschweren.

 

4.1 Zulässigkeit einer Verzichtserklärung vor Beurkundung

 

Ein Vorkaufsberechtigter kann auf sein Recht verzichten, und zwar auch vor dem eigentlichen Verkaufsfall. Der Verzicht kann:

  • definitiv (dauerhaft)
  • oder einmalig (bezogen auf eine bestimmte Transaktion)

erklärt werden. Ein solcher Verzicht ist grundsätzlich zulässig und wirksam, wenn er klar und freiwillig erfolgt.

 

5. Typische Praxisbeispiele aus der Schweiz

a) Erbengemeinschaften und Miteigentum

In vielen Fällen besitzen mehrere Personen gemeinsam eine Liegenschaft. Verkauft ein Miteigentümer seinen Anteil, haben die anderen ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Ein häufiger Stolperstein bei Nachlässen und familiären Regelungen.

 

b) Gemeinden mit Vorkaufsrecht

Kantonale oder kommunale Regelungen erlauben es Gemeinden, bei zentralen Grundstücken (z. B. Arealentwicklung) als Käufer aufzutreten. Diese Rechte werden meist ins Grundbuch eingetragen und können Investoren stark einschränken.

 

c) Landwirtschaftliche Liegenschaften

Das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) schützt die Landwirtschaft vor Zersiedlung und Spekulation. Besonders bei innerfamiliären Übergaben oder Drittverkäufen gelten strikte Vorschriften und Vorkaufsrechte.

dazu mehr unter: https://www.beck-realestate.ch/aktuelles/aktuelles-detail/bauernhof-kaufen-in-der-schweiz

 

d) Gewerbemieter mit vertraglichem Vorkaufsrecht

In langfristigen Mietverträgen sichern sich Gewerbetreibende das Recht auf Erwerb der genutzten Fläche – oft mit qualifiziertem Vorkaufsrecht (z. B. Fixpreis oder Vorzugsbedingungen).

 

 

6. Wichtige Unterschiede: Vorkaufsrecht – Kaufrecht – Rückkaufsrecht

RechtstypAktivierung durchVerpflichtung?Beispiel
VorkaufsrechtVerkauf an DrittenNeinMiteigentum
KaufrechtWillenserklärung beider ParteienJaKauf auf Abruf
RückkaufsrechtVorher definierter FallJa, wenn Bedingung eintrittGemeinde behält Rückkaufoption bei Subvention

 

 

7. Gestaltungsspielräume und rechtliche Fallstricke

a) Klarheit im Vertrag

Vage Formulierungen können zu Konflikten führen – etwa zur Frage, ob ein Kaufpreis marktgerecht ist oder ob das Vorkaufsrecht bei Schenkung oder Tausch gilt. Eine saubere juristische Formulierung ist unerlässlich.

 

b) Eintragung im Grundbuch

  • Nur eingetragene Vorkaufsrechte gelten gegenüber Drittpersonen.
  • Ungültig bei fehlender öffentlicher Beurkundung (Art. 657 ZGB).
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c) Verjährung und Übertragbarkeit

  • Das Recht ist grundsätzlich nicht übertragbar oder vererbbar.
  • Ohne ausdrückliche Erlaubnis erlischt es mit dem Tod des Berechtigten oder nach Ablauf der Frist.

 

8. Empfehlungen für die Praxis

Für Eigentümer:

  • Vor Verkaufsabsicht Grundbuchauszug prüfen.
  • Berechtigte frühzeitig informieren, um Verzögerungen zu vermeiden.
  • Bei Neubegründung klare Formulierungen und Fristen wählen.
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Für Käufer:

  • Im Kaufvertrag Rücktrittsrecht vereinbaren, falls Vorkaufsrecht ausgeübt wird.
  • Grundbuch auf öffentlich-rechtliche oder vertragliche Einträge prüfen.
  • Auf schriftliche Verzichtserklärungen bestehen.
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Für Investoren:

  • Besonders bei Arealen, Mehrfamilienhäusern oder Spezialliegenschaften auf kommunale oder institutionelle Vorkaufsrechte achten.
  • Bei Neubauprojekten gezielt prüfen, ob Vorkaufsrechte eingeräumt wurden – und zu welchen Bedingungen.

 

Fazit

Das Vorkaufsrecht ist ein scharfes Schwert im Schweizer Immobilienrecht. Es kann als Schutzmechanismus dienen, aber auch zum Stolperstein werden – etwa bei ungeklärter Eigentumsstruktur, fehlender Transparenz oder unpräziser Vertragsgestaltung.

Wer Immobilien verkauft, kauft oder investiert, sollte das Vorkaufsrecht in der Schweiz stets im Blick behalten – und professionell begleiten lassen. BECK Real Estate GmbH unterstützt Sie dabei mit rechtlichem Verständnis, marktwirtschaftlicher Kompetenz und einem Gespür für diskrete Lösungen.

 

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