Die Roche Towers in Basel

Immobilien und Architektur sind unsere Passion, aus diesem Grund starten wir die Artikelreihe "aus Passion für Immobilien" zu Immobilien, die uns gefallen, uns inspirieren oder die einen spezifischen Wert für uns haben – als zweiten Beitrag dieser Reihe haben wir uns mit den Roche Towers in Basel für die höchsten Gebäude der Schweiz entschieden.

Fünf der zehn höchsten Gebäude der Schweiz werden sich Ende des Jahres 2022 in der Stadt Basel befinden. Mit dem 2022 zu eröffnenden 205 Meter hohen Roche Turm 2 wird das bisher höchste Gebäude der Schweiz, der 178 Meter hohe Roche-Turm 1 um 27 Meter übertroffen. An dritter Stelle steht mit einigem Abstand das mit 126 Meter höchste Gebäude der Stadt Zürich, der Prime Tower.

 

Hochbauten in der Schweiz

Hochhäuser sind in der Schweizer Städtelandschaft nach wie vor selten und treffen entsprechend auf grosse Skepsis. Dies erstaunt vor allem unter dem Aspekt, dass in der Schweiz Wörter wie «Verdichtung» oder «Zersiedelung» bereits seit langem einen festen Platz in der Klaviatur der politischen Sprache eingenommen hat.

 

Die Stadt Basel mit einer Vorreiterrolle

Dass die in den vergangenen Jahren höchsten Gebäude allesamt am Rheinknie realisiert werden, mag in Anbetracht dessen, dass es sich beim Kanton Basel-Stadt um einen Stadtkanton mit begrenzter Fläche handelt, nicht weiter erstaunen. Fairerweise muss man aber auch ins Feld führen, dass die drei höchsten Gebäude Basels, die entweder fertig realisiert sind oder sich noch im Bau befinden, allesamt zum baulichen Ensemble des Hauptsitzes von Roche gehören.

 

Eine Architektur von Baslern in der Tradition des Unternehmens

Das renommierte Basler Architekturbüro Herzog & De Meron ist für die architektonische Gestaltung des Hauptsitzes des Roche-Konzerns verantwortlich. Die Neubauten verändern Basels Skyline grundlegend und machen das Basler Wettsteinquartier dadurch wohl zu einem der verdichtetsten Quartiere der Schweiz. Ursprung des Ensembles bildet der vom Architekturbüro eingereichte Bebauungsplan aus dem Jahr 2014, der 2016 genehmigt wurde und die beiden bestehenden Türme, sowie das Forschungs- und Entwicklungszentrum mit einschloss. Anders als üblich bei Bauten solcher Tragweite für eine Stadt, waren die Roche-Türme nicht Ergebnis eines Architekturwettbewerbs, sondern der Auftrag wurde von Roche direkt an Herzog & De Meuron erteilt.  Die Architekten wollen sich bei der Entwicklung des Areals an bestehenden Bauten und der Architektursprache des Roche-Hausarchitekten der 30er Jahre Otto Rudolf Salvisberg orientieren und sehen ihre neuen Gebäude als zeitgenössische Weiterführung der klassischen Moderne von Salvisberg. Zur Architektur des ersten Turms – der zweite orientiert sich stark am ersten, schreiben die Architekten auf ihrer Homepage:

 

«Bei dem Gebäude handelt es sich um ein 41-stöckiges, 178 m hohes Hochhaus, das sich nach oben hin verjüngt. Der örtliche Bebauungsplan legte die charakteristische keilförmige Form fest, die nach Westen hin abfällt und nach Osten hin fast senkrecht verläuft. Der Bebauungsplan bildet die Grundlage für eine klare und regelmäßig abgestufte Form mit Rücksprüngen in einem Abstand von zwei Terrassen im Westen und einem fast vertikalen Anstieg mit subtilen und gleichmäßigen Stufen über drei Stockwerke im Osten. Die vertikale Gliederung des Gebäudes erfolgt durch übereinander liegende, unterschiedlich große Bodenplatten, die außen durch horizontale weiße Brüstungsbänder skulptural zum Ausdruck kommen. Diese Brüstungsbänder sind typisch für den Modernismus, der die architektonische Entwicklung von Roche seit den 1930er Jahren geprägt hat und der auch heute noch vorherrscht. In dieser Hinsicht ist das Gebäude 1 eine zeitgenössische Interpretation der architektonischen Identität und Tradition von Roche. Die schlichte, aber markante Form und die Höhe des Gebäudes verankern das Roche-Areal fest im städtischen Umfeld. Aufgrund seiner Geometrie wirkt Bau 1 je nach Blickwinkel völlig anders und wird so für jeden Stadtteil, von dem aus er gesehen wird, zu einem erkennbaren Wahrzeichen. Im Süden, vom Rhein aus gesehen, wirkt es wie ein abgestufter Keil. Je nach Lichteinfall auf die Fassade verschmelzen die Balustraden und Fenster zu einem leichten Volumen, das sich zum Himmel hin auflöst. Von Osten und Westen, entlang der Grenzacherstrasse, erscheint er als schlanker vertikaler oder gestaffelter Turm, dessen Konturen durch seine dreidimensionalen Brüstungen betont werden. Licht und Schatten verstärken diesen markanten Eindruck. In den unteren Geschossen nimmt das Gebäude durch das Zurücksetzen der Fensterbänder Bezug auf den Straßenmaßstab. So kann ein fließender Übergang zwischen dem menschlichen Maßstab und den glatten Fassaden an der Nord- und Südseite des Gebäudes, dem städtischen Maßstab, erreicht werden.» (Originaltext übersetzt aus dem englischen Text auf der Webpage von Herzog & De Meuron)

 

Es handelt sich um die gewalttätigste und respektloseste Architektur, die bis jetzt in der Schweiz gebaut wurde....

Wo etwas Neues gewagt wird, wo sich etwas vom bestehenden abhebt und bestehende Akzente sich verschieben, da sind Kritiker und andere Meinungen nie weit weg – selbstverständlich gilt das bei wenigen anderen Disziplinen so sehr wie in der Stadtplanung im allgemeinen und der spezifischen Architektur im konkreten. So schrieb der mittlerweile verstorbene langjährige Kantonsbaumeister (1978 – 1992) Carl Fingerhut ( 1936 – 2021) in einem Artikel in der NZZ vom 05.01.2013 über die Pläne von Herzog & De Meuron vernichtend:

 

«Es scheint mir, dass vieles, was die Menschen heute bewegt, in der elitären Architektur noch nicht angekommen ist. Exemplarisch für diese Situation ist das Projekt für den Bau eines banalen, 175 Meter hohen Bürogebäudes in Kleinbasel. In seiner städtebaulichen Haltung dominiert das Projekt der Architekten Herzog & de Meuron alle bestehenden Schichten der Bausubstanz von Basel und macht sich selbst zum Zentrum der Aufmerksamkeit. Nach seiner Realisierung ist die städtebauliche Identität von Basel nicht mehr die über 2000 Jahre lang gewachsene Stadt um den Münsterhügel, sondern der Turm der Firma Roche. Das Schweigen der Politik und der Fachwelt zu diesem Projekt ist unverständlich. Es handelt sich um die gewalttätigste und respektloseste Architektur, die bis jetzt in der Schweiz gebaut wurde.»

 

Etwas weiter oben im selben Artikel schreibt er als fixe Erkenntnis aus seiner Tätigkeit als oberster Stadtplaner am Rheinknie:

«Mit einer Vielzahl von Wettbewerben für Baulücken in der Altstadt gelang es mir, ein Bewusstsein zu fördern, welches akzeptiert, dass die Stadt immer in einer Polarität von zu viel oder zu wenig Veränderung steht. Jede Stadt muss immer wieder Neues integrieren, um ihre Vitalität zu erhalten. Sie muss aber auch immer wieder ihre Kontinuität bewahren, damit die Bewohner der Stadt nicht heimatlos werden.»

 

All zu schnelle Veränderungen bzw. zu gewagte Entwicklungen in einer Stadt sind also gemäss Fingerhut zu vermeiden, um einer Stadt bzw. den Bewohnern einer Stadt nicht die Identität des liebgewordenen Stadtbilds zu entziehen. Die Frage, die dabei aber gestellt werden muss, ist die, ob dies realistisch ist?

 

Verdichtung versus Substanzerhalt

Der Spagat zwischen der althergebrachten Bausubstanz und moderner Neubauten ist eine grosse Herausforderung, die die Verantwortlichen zwischen der Notwendigkeit, der Bedarfsdeckung und einer Bewahrung bestehender Stadtbilder aufzureiben droht. Gerade die Schweiz, deren Städte glücklicherweise nicht durch kriegerische Ereignisse im 20. Jahrhundert ihrer historisch gewachsenen Substanz beraubt wurden, ist diese Aufgabe schier unmöglich. Auf der anderen Seite hat die Bevölkerung ein Bedürfnis nach Grünflächen in Städten und der Verhinderung von Zersiedelungen breiter Landstriche als Postulat an die politischen Entscheider gerichtet. Letzteres lässt sich in einem Land mit begrenzten Bauland-Ressourcen jedoch nur durch Verdichtung erreichen. Und wenn der in der NZZ abgedruckte Mahnruf von Carl Fingerhut sicherlich berechtigt ist, leben wir heute in einem Zielkonflikt, den die moderne Architektur in Zusammenarbeit mit ihren Bauherren und den städtischen Behörden immer aufs Neue lösen müssen. Die Verschiebung von städtebaulichen Akzenten ist derweil nicht neu. Der Begriff der «Kathedralen der Moderne», die für die pompösen Bahnhofgebäude als Motoren der Industrialisierung steht, welche die eigentlichen Kathedralen als städtische Zentren bis zu einem gewissen Grad abgelöst haben, ist schliesslich keine Erfindung der letzten zwanzig Jahre. Wir haben uns für die Roche-Türme als inspirierende Bauten entschieden, weil die Stadt Basel die notwendige Verdichtung angestossen hat ohne – und dabei gehen wir mit Fingerhut nicht einig – ihre Identität mit dem historischen Kern, das unter anderem das gotische Münster oder das rote Rathaus umfasst, verloren zu haben.

(FB 2022)

 

Schlüsselbegriffe dieses Artikels:

Roche-Türme, Roche Towers, Basel, Herzog & De Meuron, Hochbauten, Otto Rudolf Salvisberg, Stadtplanung, Carl Fingerhut, NZZ, Städtebau, Hochhäuser, Identität, Stadtbild, Bausubstanz, Neubauten, inspirierende Bauten, Verdichtung, höchste Gebäude der Schweiz

 

Salvisberg, Otto Rudolf (hls-dhs-dss.ch)

345 ROCHE BUILDING 1 - HERZOG & DE MEURON (herzogdemeuron.com)

Bedürfnisse, Werte und Träume | NZZ

Die Roche-Türme im Bau Juli 2020